Aufträge oder Produktion steuern?

Macht das denn einen Unterschied? Gebräuchlich sind Begriffe wie Produktionssystem, Produktion steuern oder Fertigungssteuerung. Wir benutzen sie im Alltag ohne viel darüber nachzudenken. Dabei stecken in den vermeintlichen Selbstverständlichkeiten Überzeugungen, die unser Handeln unbewusst prägen. Wie wir denken zeigt sich in dem was wir sagen.

Interne Sicht: Effizienz und Produktivität

Zugespitzt ausgedrückt: Wer die Produktion steuert, will Effizienz und Produktivität. Wer Kunden- oder Fertigungsaufträge steuert, will Pünktlichkeit und Schnelligkeit. Dass das nicht das Gleiche ist merkt man spätestens in Situationen von Unterlast. Wird die Maschine abgestellt, weil der unmittelbare Kundenbedarf befriedigt ist oder soll sie weiter laufen (und auf Lager produzieren), weil das rechnerisch günstigere Stückkosten ergibt?

Kundenorientierung: Pünktlichkeit und Schnelligkeit

Es kommt auf die Perspektive an. Vom Kunden her gedacht spricht alles für die Variante Aufträge steuern und die Einbeziehung aller Aktivitäten des Auftragsmanagements, auch jenseits der eigentlichen Produktion. Lean Production und das Vermeiden von Verschwendung führen ebenfalls in diese Richtung. Der unreflektierte Blick auf die traditionelle Kostenrechnung dagegen oder auf betriebliche Randbedingungen (unflexible Engpasskapazitäten, etc.) tendiert zur „Produktionssteuerung“. Geld wird aber nur mit Kundenaufträgen verdient, nicht mit optimal ausgelasteten Maschinen.

Hase & Igel FAZ 17.5.13
Clever vorne – Hase & Igel (Quelle: FAZ vom 17. Mai 2013)

Grundlagen: Was ist das Ziel?

Rein technisch gesehen steuern wir das „Produktionssystem“. Nach der Definition von W.J. Hopp/M.L. Spearman ist das „… an objective-oriented network of processes through which entities flow.“ Es kommt also auf die Ziele an: auf das Fließen von Aufträgen, Material, Information und auf das Beherrschen eines Netzwerks aus einzelnen Prozessen.

Manager sind gut beraten, sich diese simplen Grundlagen immer mal wieder vor Augen zu führen. Statt dessen finden ausufernde Diskussionen über Kennzahlen statt – ohne dass die Ziele wirklich konsistent und klar sind. Fließen reduziert sich auf das Organisieren des Materialflusses. Und statt das Netzwerk aus Prozessen besser zu beherrschen, werden unnötige Energien in die Abgrenzung von Aufgabengebieten oder Abteilungen gesteckt.

Der Dreh- und Angelpunkt sind die Ziele. „Zielzustände“, also beispielsweise die Beschreibung wie die Kundenauftragsabwicklung in sechs Monaten laufen soll und welchen Nutzen die Beteiligten davon haben, sind meist der bessere Ansatz als punktuell gesetzte harte Zielgrößen („Senkung der Kosten um 15%“). Zielzustände erlauben ein breites Spektrum an Lösungswegen, temporäre Umwege eingeschlossen, und sie beinhalten immer den eigentlichen Zweck der Veränderung („Kunden besser beliefern – Verschwendung vermeiden“). Hart und in kurzen Intervallen gemessen werden die jeweils erzielten Fortschritte.

Auftragsmanagement: weit mehr als Produktion steuern

Begrifflich mag Aufträge steuern nicht ganz korrekt sein (s.o.). Gedanklich jedoch öffnet es neue Horizonte. Was es damit auf sich hat, haben B.P. Shapiro/V.K. Rangan/J.J. Sviokla in ihrem Artikel Staple Yourself to an Order vor 10 Jahren (2004) in der Harvard Business Review gut beschrieben. Erkenntnisse daraus:

  • Auftragsmanagement ist Kundenmanagement.
  • Auftragsmanagement beginnt mit der (Auftrags-)Planung und endet erst mit dem Service, der dem Verkauf folgt.
  • Der komplexeste Schritt ist die „Auftragserfüllung“ – Beschaffung, Produktion, Distribution.
  • Obwohl oder weil Auftragsmanagement fast jedermanns Sache im Unternehmen ist, gibt es viele Überlappungen, Konfusion oder mangelnde Kommunikation – und so richtig verantwortlich ist auch niemand.
  • „Kundenorientierung“ beginnt im internen Auftragsprozess. Dort schlummert viel ungenutztes Potenzial.
  • Auftragsmanagement ist ein Ganzes oder ein „System“. (Vielleicht wäre „Auftragsmanagement-System“ künftig die bessere Vokabel als „Produktionssystem“.)
  • Auch für Top Manager ist das horizontale Führen in meist vertikal strukturierten Organisationen eine harte Nuss.

Kernaufgabe: Lean produzieren und richtig steuern

Den Kernbereich des Auftragsmanagements bildet häufig das Produktionssystem. Gerade hier gerät der Kundenauftrag schon mal ins Hintertreffen, weil lokale Optimierungen in Vordergrund rücken – Losgrößen, Rüstkosten, Auslastungsgrade, Produktivitätskennziffern verstellen den Blick aufs Eigentliche: den dringendsten Kundenbedarf schnell und pünktlich beliefern.

Da hilft es, den Zielzustand als „Auftragssteuerung“ zu beschreiben. Das ist keine semantische Floskel, sondern ein handfestes Verfahren. Für Serien- oder Einzelfertiger besteht es im Wesentlichen aus zwei Komponenten:

  • einer Priorisierung von Aufträgen, meist nach terminlicher Dringlichkeit, und
  • einer fließorientierten, beispielsweise bestandsgesteuerten Produktion – einer Art Kanban-Steuerung für Aufträge (nach dem ConWIP-Verfahren).

Lean Management in der Gestaltung von Produktionsabläufen hat sich vielfach etabliert. Das ist nun die passende Produktions- oder besser Auftragssteuerung dazu.

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