Das Thema ist alles andere als neu, aber gerade in Zeiten von Wachstum hoch aktuell: Lieferversprechen einhalten und knappe Ressourcen optimal nutzen. Genau das macht eine effektive Auftrags- und Produktionssteuerung in der herstellenden Industrie aus. Optimal ist, was direkt Kundenumsatz bringt oder was zumindest mittelbar Kundennutzen schafft. Alles andere ist „Verschwendung“. Genügt Ihre Praxis der Kundenauftrags- und Produktionssteuerung diesem Anspruch? Wie gut ist die Termintreue?
Zielklarheit
Worauf kommt es an? Zunächst braucht man eine klare Zielvorstellung. Geht es primär darum, kurze Durchlaufzeiten zu realisieren und sehr verlässlich einzuhalten oder geht es um die möglichst hohe Auslastung der vorhandenen Kapazitäten (unter Inkaufnahme erhöhter Bestände an Zwischen- und Endprodukten)? Beides gleichzeitig zu wollen ist verständlich, führt aber zu Murks. Ohne klare Linie kein Erfolg.
„Naturgesetzte“
Objekt allen Planens und Steuerns sind materielle Produkte, die mit Mengen und Terminen verknüpft werden. Über die Machbarkeit und Grenzen von Planmengen und Terminen sollte man folgendes beherzigen:
- Jeder Produktionsprozess erlaubt einen maximalen Durchsatz pro Zeiteinheit – mehr geht nicht. Diese Menge bemisst sich an der knappsten Kapazität. Meist ist das nicht die neue hochautomatisierte Anlage, sondern ein anderer Teilprozess. Je nach Auftragsmix „wandert“ dieser Engpass auch noch. Man kann trotzdem mehr Aufträge in die Produktion ein lasten, am Ende kommt aber nicht mehr heraus. Der Rest wartet irgendwo.
- Der exakten Planbarkeit (von Terminen) sind Grenzen gesetzt. Es passieren immer wieder Dinge, die wir entweder nicht bedacht oder nicht erwartet haben.Ein Maschinenausfall, fehlerhafte Teile, ein wetterbedingter Lieferengpass oder einfach Schwankungen im Produktionsprozess. Dazu kommt, dass Arbeitspläne, die der Planung zugrunde liegen, nicht immer korrekt sind.
Wer diese beiden Randbedingungen im Blick behält, ist auf dem Weg zu einer guten Planung und Steuerung. Wer sie teilweise ignoriert, kämpft in der Folge mit schlechter Termintreue, Terminjägern und teuren Zusatzaktionen.
Was die Dinge in der Realität kompliziert, sind Prozesseigenschaften, die kleinen Losgrößen (hoher Rüstaufwand), kurzen Wegen („gewachsene“ Layouts und Gebäudestrukturen) oder schnellen Durchlaufzeiten (Technologien, unsichere Prozesse) hinderlich sind. Aber auch hier ist nicht alles unabänderlich, auch wenn es zunächst mal so erscheint.
Pull-orientierte Steuerung?
Der klassische ERP-Ansatz folgt dem Push-Prinzip, eignet sich für die Materialbedarfsplanung, hat aber gravierende Nachteile, wenn es um die terminsichere Auftragssteuerung durch die Produktion geht. Eine Schwäche dabei sind die häufig sehr langen Planungshorizonte. Zum Zeitpunkt der Terminvergabe besteht daher hohe Unsicherheit, da bis in diese Zukunft noch viel passieren kann (und aller Erfahrung nach tut es das auch). In der Praxis lässt sich das an vielen Verschiebungen schon begonnener Aufträge sowie an der Notwendigkeit von Terminjägern beobachten.
Es geht besser: Mit pull-orientierten Verfahren, beispielsweise ConWIP (constant Work-In-Process), werden nur die Aufträge in die Fertigung ein gelastet, die auch unmittelbar bearbeitet werden können*. Das klappt auch bei mehrstufiger Fertigung, mit wechselnden Engpässen und heterogenem Auftrags- und Produktmix. Der gerade ausreichende Materialbestand im Prozess bleibt weitgehend konstant, die Durchlaufzeit* ebenso.
Pull-orientiert ist so etwas wie Kanban für Produktionsaufträge, bildet das Prinzip der Fließfertigung nach, und hat den großen Vorteil, dass das auch bei sehr heterogener Auftragsstruktur robust funktioniert. Das nachstehende Schema einer Fabrik zeigt die beiden wichtigsten Regelkreise „Terminierung eines Kundenauftrags“ (oben) und „konstante Durchlaufzeit“ (unten):
Bild: „Lebenszyklus“ eines Kundenauftrags
Das Bild zeigt wesentliche Elemente einer effektiven Steuerung:
- Den Engpass und den aktuellen Auftragsbestand zur Bestimmung des Liefertermins nutzen (oberer Regelkreis).
- Den Output abgeschlossener Aufträge, und damit indirekt die Engpassbereiche, zur Steuerung des Auftragsflusses durch die Produktion nutzen (unterer Regelkreis).
- Die Durchlaufzeit (in Stunden oder Tagen) durch die Produktion fest „einstellen“ – durch Limitieren des ein gelasteten Auftragsbestands (WIP). (Je geringer die Schwankungen in den Prozessen sind, desto knapper kann das WIP gehalten werden.)
- Das Warten von Aufträgen möglichst vor den Produktionsstart legen (so kann bei Bedarf die Auftragsreihenfolge problemlos geändert werden).
Ergebnis Termintreue
Das Ergebnis sind verlässlich planbare Termine, hohe Termintreue (und kurze) Durchlaufzeiten, die sich mit klassischen ERP-Verfahren so nicht erreichen lassen**. Das ist die Basis für zufriedene Kunden, effizientere Abläufe und optimierte Materialbestände.
* dahinter steckt „Little’s Law“ (John D.C. Little, emeritierter Professor am MIT): werden mehr Aufträge gestartet, als abgeschlossen, steigt der Bestand in der Linie. Die Wartezeit und damit die Gesamt-Durchlaufzeit erhöht sich entsprechend.
** vgl. Wallace J. Hopp/Mark L. Spearman, Factory Physics, McGraw-Hill 2001 (S. 357)