Risikomanagement in der Supply Chain – kleine Zuflucht vor Schwarzen Schwänen

Dominoeffekt wegen Lieferausfällen in Japan (Handelsblatt vom 25.03.2011), Angst in Industrie: Reißt die Lieferkette (Die Welt vom 25.03.2011), Werke in Japan stehen länger still (Handelsblatt vom 23.03.2011). Ferne Krisen sind zunehmend auch unsere Krisen. Wir merken es nur nicht immer sofort.

Die verheerende Natur- und Umweltkatastrophe in Japan ist ein Schwarzer Schwan (vgl. auch Buch von Nassim Nicholas Taleb). Ein äußerst unwahrscheinliches Ereignis. Es kündigt sich nicht an, tritt aber dennoch ein. Japan ist zwei bis acht Wochen von uns weg. Solange reichen beispielsweise die elektronischen High-Tech-Bauteile japanischer Herkunft, die unterwegs oder schon in Europa sind, für die planmäßige Versorgung deutscher Elektronikhersteller. Und dann? Sind die Fabriken noch in Takt? Wie schnell kann wieder mit der üblichen Ausbeute produziert werden? Wann klappt die Logistik wieder einigermaßen reibungslos? Wer wird zuerst mit knappen Komponenten beliefert? Zu welchen Preisen?

Risikomanagement – globale Lieferkette

Globale Produktionsprozesse sind nicht besonders transparent. Kritische Liefersituationen ebenso wenig (und mancher hofft da auf ein knappheitsbedingtes fettes Zusatzgeschäft). Welche  Endprodukte, Maschinen, Autos oder Gebrauchsgut letztlich betroffen sind, zeigt sich erst mit Verzögerung. Zunächst trifft es die Hersteller, die nahe an der Quelle des Problems sitzen, beispielsweise den deutschen Elektronikhersteller, der eine bestimmte Vergussmasse für seine Chips benötigt, die nur aus Japan bezogen werden kann. Verlässliche Information, ob und wann wieder geliefert werden kann, gibt es nicht. Was sind die kurzfristigen Optionen?

Kurzfristige Möglichkeiten

  • Abwarten und hoffen, dass alles nicht so schlimm kommt–> hohes Liquiditätsrisiko, wenn die Produktion wegen fehlender Komponenten doch stoppt und alle übrigen Materialien im Lager liegen und laufende Lieferungen bezahlt werden müssen.
  • Vorsorglich bremsen und offene Materiallieferungen stornieren oder um terminieren –> Risiko von Umsatzverlust und unzufriedenen Kunden, falls kritische Materialien wider Erwarten doch zur Verfügung stehen.
  • Abgestimmtes Vorgehen mit den eigenen Lieferkettenpartnern (Kunden, Lieferanten) und Risikoverteilung nach Tragfähigkeit. –> Finanziell starke Unternehmen übernehmen beispielsweise einen größeren Anteil am Finanzierungsrisiko zusätzlicher Vorräte als der unmittelbar betroffene kleinere Vorlieferant.

Langfristige Optionen

Schwarzen Schwänen kann man nicht entkommen. Risikoabschätzungen helfen nichts. „Restrisiko“ Null ist illusorisch. Dennoch kann man etwas unternehmen, was zumindest bei „Grauen Schwänen“ wirkt. Ein Stresstest* für das eigene Netz aus Produktionsstätten, Lieferquellen und Transportwegen zeigt potenzielle Schwachpunkte. Hier setzt ein unternehmensbezogenes Konzept zum Umgang und zur Minderung von Risiken an. Eine ausgezeichnete Zusammenfassung worauf es dabei ankommt, bietet der Artikel Operations Rules: How to mitigate risk based on business objectives von David Simchi-Levi, Professor am MIT (http://www.europeanbusinessreview.com/?p=3641). Clevere Risiko-Strategien sind nicht notwendigerweise sehr teuer. Ansatzpunkt sind die erkannten Problembereiche. Im erwähnten Stresstest* werden worst-case Szenarien und ihre möglichen Konsequenzen für’s Unternehmen durchgespielt, um die neuralgischen Punkte der eigenen Produktions- und Supply-Chain-Strategie aufzuspüren. Einmal erkannt und mit Risikominderungsstrategien oder Notfallkonzepten angegangen, zahlt sich das auch bei kleineren Not- und Ausfällen aus.

Für das Thema Risikovorsorge gilt generell der Satz: Invest now, or pay later (D. Simchi-Levi). Es lohnt sich Grips (und ein paar Euros) jetzt zu spendieren, damit die nächste überraschende Krise einen weniger hart trifft (und mit weit geringeren Folgekosten).

(*Ich weiß, „Stresstests“ sind in Krisenzeiten schwer in Mode, bei Banken, Atommeilern, Stuttgart 21, etc. und sie haben manchmal ein Geschmäckle von Alibi. Eigentlich sind sie jedoch unabdingbar, vor allem vor irgendwelchen Krisen, immer wieder neu und ohne großes Getöse.)

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1 comment

  1. Was intellektuell richtig scheint – wird es umgesetzt?
    Im Rahmen der Krisen fällt auf was nicht funktioniert, nicht umgesetzt wurde. Das wirft bei mir die Frage auf „Ist das eine Minderheit die in der Krise auffällt oder gibt es ein Umsetzungsproblem?“ Ich habe keine Daten, mein Bauch sagt „Umsetzungsproblem“.
    Was hindert uns das als Richtig erkannt umzusetzen? Drücken wir das Problem in die Zukunft? Wo funktioniert Risikovorsorge – mir fällt Brandschutz ein – und wo nicht? Was macht den Unterschied aus? Vielleicht liegt da ein Ansatz um Veränderung in gang zu bekommen.

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