„Wer hat den Ball?“

Verantwortung in Veränderungsprozessen.

Es gibt viele Gründe, warum eine gute Idee oder ein Veränderungsvorhaben scheitern können – und mit dem Gelingen verhält es sich genauso. Der entscheidende Faktor heißt Verantwortung. Wer will neue Bewegung, wie überzeugend wird die Notwendigkeit von Veränderung vermittelt, und wer steht dafür, dass die Dinge tatsächlich bedacht, angepackt und schließlich in die Tat umgesetzt werden?

Jedes ordentlich organisierte Projekt hat einen Projektleiter. Bei komplexen Themen, wenn beispielsweise Supply Chains funktionsübergreifend umgebaut werden sollen, mag es auch noch einen externen Berater geben. Vor allem aber gibt es viele „Betroffene“. Auf den ersten Blick klingt dieses Wort fast nach „Opfer“, und in schlecht laufenden Veränderungsprozessen sind sie das ja auch gelegentlich. In der Gruppe dieser Betroffenen finden sich sinnvollerweise jedoch auch die Hauptakteure. Und noch günstiger ist es, wenn der oder die operativ Verantwortlichen auch im Projekt selbst die tragende Rolle spielen. Nehmen wir mal an, der Projektleiter ist kein Linienverantwortlicher und einen teuren externen Berater zur Unterstützung gibt es auch noch. Wer ist für den Projekterfolg verantwortlich?

Läuft es gut, hat der Erfolg viele Väter. Bleibt der Durchbruch aus, findet sich zumindest ein Sündenbock. Soweit das klassische Muster. Worum geht es eigentlich? Drei (eigentliche banale) Thesen:

Projektleiter und Berater sollte man am Projekterfolg messen

Klingt gut, ist aber alles andere als trivial. Am liebsten würde man ja eine ROI-Rechnung aufmachen. Projektleiter und Berater kosten, und das soll sich schnell rechnen. Am besten geht das mit den beliebten „quick wins“. Sind diese Kosten schon mal eingespielt, wird der Rest zur Kür. Leider bleibt das ein Kurzschluss, mit allen Risiken und Nebenwirkungen: der schnelle Erfolg ist womöglich kein dauerhafter und mit der vermeintlichen Kür geht die Arbeit erst richtig los. Und wenn das Projekt dann zeitlich fast schon an seinem vorbestimmten Abschluss angekommen ist, liegen die mühsam errungenen Fortschritte noch am unteren Ende der Erwartungsskala (auch wenn es in den offiziellen Verlautbarungen meist optimistischer zu geht). Natürlich muss das nicht so sein, manchmal bessern sich die Dinge auch überraschend schnell. Was hier aber klar werden soll ist, dass die Geschwindigkeit der (positiven) Veränderung schlecht prognostizierbar bleibt.

Dennoch sollten wir Projektleiter und Berater an ihren Ergebnissen messen. Es sollte sich hier aber nicht in erster Linie um die harten Fakten des operativen Geschäfts handeln, sondern um die Wirkung hinsichtlich nutzenstiftender Veränderung. Um beim Berater zu bleiben: er oder sie taugen als Ideengeber, als Spezialist, als Katalysator und Mutmacher, als Organisator, als Mit-Arbeiter, als Co-Pilot, zwischendurch auch mal als Zugpferd. Wirklich machen müssen andere. Für dieses operative Machen sind die verantwortlich, die es sonst auch sind (was manchmal vergessen wird).

Chefs aus der Linie sind für die Ergebnisse verantwortlich

Der Chef bleibt der Chef. Also ist er auch Chef der Veränderung. Auf der Ebene der Geschäftsführung findet diese Feststellung schnell Zustimmung. Aber wie sieht es auf den nächsten Hierarchiestufen aus? Nicht immer fühlt sich das mittlere Management für das verantwortlich, was „von oben“ kommt. Es bleiben die Optionen: „love it, change it, leave it“. Und das sollte das übergeordnete Führungspersonal von seinen Leuten auch fordern. Oder besser, dazu ermutigen, aktiv zu werden und die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Damit kommt die Verantwortung dort an, wo sie hingehört, an der operativen Front. Auch wenn die Idee neuer Konzepte, Prozesse oder Strukturen ursprünglich nicht an der Basis entstanden ist, ihre Wirksamkeit entscheidet sich in der Umsetzung. Und die liegt in der Verantwortung des Linienmanagements. Berater oder anderes Projektpersonal können dabei bestenfalls effektiv unterstützen. Ersatzmanager sind sie nicht. Auch die Lorbeeren einer gelungenen Veränderung gebühren daher primär den Linienleuten, die sich mit Einsatz und Beharrlichkeit über viele kleine Schritte (und Stolpersteine) zum Ziel kämpfen. Eine Besonderheit bei Supply Chain Prozessen: wenn beispielsweise die Logistik steuert und die Fertigung in eng getakteten Abläufen produziert, sind beide für das Ergebnis verantwortlich. Das erfordert eine andere Kultur von Zieleverständnis und Zusammenarbeit, als die herkömmlich abgegrenzten „Silo-Kategorien“.

Nicht immer hat das eine mit dem anderen zu tun.

Lob der Unbeteiligten, Bestrafung der Unschuldigen … das kommt eben auch vor. Nicht immer liegen Ursache und Wirkung glasklar offen, dazu ist das Geschehen zu komplex. Wer weiß schon genau, ob allein der Aufschwung für gute Zahlen (oder den schlechteren Lieferservice) sorgt oder welchen Einfluss neue organisatorische Maßnahmen tatsächlich auf die Leistungsfähigkeit haben? Zumindest sollte man bei der Beurteilung zweimal hinsehen und vor allem den Faktor Zeit nicht unterschätzen. „Gut Ding will Weile haben“. Das kann eben auch bedeuten, dass eine beobachtbare Verschlechterung in Wirklichkeit einen (positiven) Fortschritt markiert. Weil beispielsweise Erfolg jetzt anders und ehrlicher gemessen wird, weil Probleme auf den Tisch kommen und gelöst statt übertüncht werden, und weil neue Prozesse ihre Lernkurve brauchen.

Verantwortung tragen hat viel mit Vertrauen in Mitarbeiter und in getroffene Entscheidungen zu tun – harte Geduldsproben eingeschlossen.

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1 comment

  1. Und was hat das mit Supply Chain zu tun? Das gilt ja wohl für alle Veränderungsprojekte.
    Was könnte denn spezifisch in deinem Feld sein?
    😉

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