Supply Chain Strategie.

Das erfolgreiche Streben macht den Unterschied.

Strategie ist auch so ein Inflationswort. Nicht überall, wo Strategie drauf steht, steckt ein guter Plan drin. Strategien beziehen sich auf bestimmte Umstände, einen Kontext. Der ist veränderlich. Gut sind Pläne, die entsprechend angepasst werden. Aber selbst die beste Strategie taugt nichts, wenn sie kaum einer kennt oder die wichtigsten Akteure sie ignorieren.

Zielvorstellung

Klare Supply Chain Strategien entstehen meist im Nachhinein als Geschichten, die den Erfolg (v)erklären. Was zunächst wichtiger ist als alle Strategie, ist eine lebendige Vorstellung davon, wo die Reise hingehen soll. König in der Nische oder Igel, der immer schon da ist, wenn der abgehetzte Hase der Konkurrenz auftaucht. Wie auch immer, die Supply Chain hat dabei eine dienende Funktion. Sie macht den Unterschied, wo Produkt, Beratung oder Preis allein nicht ausreichen.

Supply Chain Strategie und Grenzen im Alltag

Supply Chain Management organisiert den Informations-und Warenfluss im Zusammenspiel von Vertrieb, Einkauf, Produktion, Logistik sowie Partnerunternehmen und Dienstleistern. Wie das unternommen wird, lässt sich im positiven Fall als Reaktion auf aktuelle Markt- oder Auftragssituationen und das Antizipieren von Zukunftsszenarien verstehen. Der Erfolg steht und fällt mit der passenden Infrastruktur und dem abgestimmten Handeln der Beteiligten. Macht man sich die Sicht von Toyota oder Apple zu eigen, liegt die Kunst im Umgang mit Zeit (vorteilhafte Kosten sind nicht selten eine Folge).

Die Wirklichkeit im Unternehmen erscheint manchmal ernüchternd. Da herrschen klar abgegrenzte Funktionsbereiche, gegenläufige Interessen und internes Mikromanagement. Obwohl teils gewollt, um Verantwortungen eindeutig zu regeln, verstellen Binnensichten den Blick aufs gemeinsame Ganze. Da entwickeln sich auch mal rein mechanistische Vorgehensmuster, um einen besseren Lieferservice oder geringere Kosten oder Bestände zu erreichen. Ein klares Grundmuster fehlt. Wenn Probleme auftreten, entsteht eine gewisse Neigung zu Aktionismus. Vielfach gilt das Motto, wenn jeder das tut, was er soll, wird insgesamt schon das Optimum erreicht. Dummerweise klappt das nicht immer.

Orientierung statt Kochrezept

Eine gute Supply Chain Strategie bietet vor allem Orientierung sowie einen Handlungsrahmen mit ausreichenden Freiheitsgraden. Es ist wie mit der Sehnsucht nach dem Meer, die den Bau des Schiffs treibt (Saint-Exupery). Es braucht ein überzeugendes Leitmotiv. Ein bekanntes Beispiel bietet Toyota: „… alles, was wir tun, ist, auf die Durchlaufzeit zu achten, und zwar von dem Moment an, indem wir einen Kundenauftrag erhalten, bis zum dem Moment, in dem wir das Geld in Empfang nehmen…“ (T. Ohno, 1988).

Die Idee, kurze Durchlaufzeiten als Leitschnur zu nehmen, ist nicht deshalb gut, weil Toyota sie verfolgt, sondern weil damit eine Reihe handfester Vorteile verbunden sind:

  • Kurze Lieferzeiten ohne ausufernde Bestände bringen zufriedene Kunden,
  • Prozesse sind schnell, wenn sie stabil und ohne Verschwendung laufen,
  • Kürzere Wiederbeschaffungszeiten helfen, die Unsicherheit von Prognosen oder Forecasts zu verringern und sparen risikobehaftete Vorräte.

Strategie zeigt sich im Tun

Strategie ist die Kunst, dafür zu sorgen, dass alle mit Leidenschaft in die gleiche Richtung ziehen. Das Management ähnelt dabei am ehesten einer tollen Jazz-Band. Es gibt keine durchkomponierte Partitur, jeder spielt ein anderes Instrument und beherrscht andere Fähigkeiten, dennoch entsteht ein einheitlicher Sound. Das Geheimnis liegt im Dialog. Jeder hört auf den anderen und aufs Publikum, auch beim Solo. Ein Traum?

Dieser Ansatz lässt sich auch im Unternehmen verfolgen. Der erste Schritt ist, Supply Chain Management nicht mit einer Funktion zu verwechseln, sondern es als Prozess zu verstehen, der alle Lieferketten-Funktionen integriert. Der zweite Schritt besteht darin, diese Sicht im Einflussgefüge und in internen Spielregeln des Managements abzubilden. Wenn der „schnelle Weg zum Kunden“ als Leitschnur dient, könnte das beispielsweise folgende Konsequenzen haben:

  • Keine Produktionsverlagerungen an kostengünstigere Standorte, wenn damit nicht gleichzeitig kürzere Lieferzeiten zum Kunden verbunden sind (ohne zusätzliche Bestände);
  • Nicht der billigste Anbieter kommt zum Zug, sondern der, der dauerhaft am zuverlässigsten und schnellsten liefert;
  • Reale Zeitverkürzung im Produktionsdurchlauf geht vor Reduzierung der kalkulatorischen Herstellkosten;
  • Einsatz von Lean-Methoden immer mit dem Anspruch, Lieferzeiten zum Kunden zu stabilisieren und zu verringern;
  • Fokus auf schnelle Standard-Prozesse und Verzicht auf alle kundenbezogenen Einmalaktionen zur Beschleunigung von Lieferungen.

Die Freiheit, situationsangepasst das Richtige zu tun, ist das, was eine gute Strategie den Akteuren bieten muss. Eine klare Leitidee und wenige Spielregeln (simple rules) sind nicht der schlechteste Weg dahin, wenn die Verhältnisse komplex und die Zukunft schlecht prognostizierbar ist. So entsteht Wirkung – und darum geht es ja schließlich.

(Übrigens: Supply Chain Strategien mit diesem Anspruch entspringen nicht primär einer guten Idee oder einem „Strategiepapier“, sondern sie sind das Ergebnis eines intensiven Dialogs in der Geschäftsleitung. Da geht es genauso um Verzicht auf bisher geübte Praktiken, wie um abgestimmte Spielregeln für die Zukunft. Pfiffige Ideen, clever umgesetzt, helfen natürlich ebenfalls.)


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2 comments

  1. „Strategie zeigt sich im Tun“ oder eben auch im „nicht Tun“. Das Unterlassen, Weglassen gestaltet sich in der Realität oft schwierig. Alte Abläufe, Gewohnheiten, Rechte schleichen sich gerne wieder ein und unterminieren die Strategie. Also auch auf das „nicht Tun“ ein Auge haben.

  2. Sehe ich ähnlich. Das Zusammenspiel ist der Schlüssel. Die Unternehmen haben ja in den vergangenen Jahren die Abläufe in den Lieferketten kräftig weiter optimiert. Aber wie hält es beispielsweise eigentlich der Vertrieb mit der Empfindsamkeit der Supply Chain? Die Antwort aus meiner Sicht: Der Vertrieb regiert häufig tief in die Supply Chain hinein, etwas salopp nach Gutsherrenart. Der Kunde oder Markt verlangt’s ja. So treibt der Vertrieb die Beteiligten wie Produktion, Beschaffung, etc. unbeeindruckt von den Auswirkungen mal mehr mal weniger vor sich her. Echte Supply Chain Optimierung aber ist Partnerschaft entlang der gesamten Kette und reicht bis hin zum Kunden und da ist dann der Vertrieb das verbindende Element. Themen u.a. sind: Verlässlichkeit von Terminen, Lieferzeiten, Extrameilen-Management, Optimierung von Beständen. Kurz und gut: Auch der Vertrieb sollte die Komplexität heutiger Supply Chains verinnerlichen und im Dialog mit dem Kunden im Hinterkopf haben bzw. für die Partnerschaft nutzen.“

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