Sie kennen das sicherlich. Die Einführung einer Neuerung ist gut gelaufen, manche Befürchtung zerstreut, die Produktion läuft ruhiger, das neue Konzept funktioniert, die Anspannung der Umstellungsphase hat sich gelöst. Erste Erfolge stellen sich ein: schnellere Durchlaufzeiten, höhere Termintreue, weniger operative Hektik. Wochen später trübt sich das Bild. Es geht nur noch mühsam voran. Hochfliegende Erwartungen der Chefetage bleiben unerfüllt, in den Niederungen des Alltags entfalten alte Schwächen ungeahnte Hartnäckigkeit. Zwischen den Hierarchieebenen herrscht eine Mischung aus Unverständnis und Nichtwahrhabenwollen. Was ist passiert? Wahrscheinlich nicht genug!
Veränderung bedeutet Störung.
In Anlehnung an Georg Friedrich Lichtenberg: Wenn’s besser werden soll, wird’s zunächst mal anders. Das müssen genügend Leute wollen. Im Idealfall gibt es eine robuste Seilschaft (im positiven Sinne), die das Top Management mit denen verbindet, die die tägliche Arbeit erledigen. Wo das nicht der Fall ist, lohnt es sich, diese informelle Achse zu entwickeln. Sie ist genauso wichtig wie ein innovatives, stimmiges Konzept. Funktionsübergreifende Supply Chains eignen sich gut als Anschauungsbeispiel.
Produktions-Abläufe nicht auf lokale Kostenminimierung, sondern auf durchgängige Zeitoptimierung zu trimmen, stellt tief verwurzelte Überzeugungen auf den Kopf. Auf der Ebene von PowerPoint Präsentationen nicken die meisten vielleicht noch; im Prioritätskonflikt am nächsten Morgen dagegen sieht es anders aus. Plötzlich sind Fertigungssteurer Störenfriede. Kleine Lose und schneller Auftragsdurchlauf sichern zwar Lieferfähigkeit und Kundentermine, sie kosten aber Effizienz. Zumindest ist das die gängige (und häufig irrige) Lehrmeinung. Produktionsleute sind auf Effizienz geeicht. Prozesse, die noch nie toll funktionierten, was bisher nicht weiter auffiel, bremsen die Leute ebenfalls massiv aus. Das können zu arbeitsteilige Abläufe sein, die Organisation der Produktionslogistik, die Qualität von Werkzeugen, eine nicht adäquate Maschinenausstattung oder schlicht fehlende Disziplin, sich an vereinbarte Regeln zu halten. Für die Mitarbeiter vor Ort gehört oft Mut dazu, diese Schwächen beim Namen zu nennen und Verbesserungen anzumahnen. Nur, wer hört hin? Und wie werden Probleme gelöst?
Lähmende Lehmschicht?
Betrachten wir die Sache mal aus Sicht der Mitarbeiter. Arbeit muss nicht immer eingefahren oder mühselig sein. Man muss auch nicht in ständiger Abwehrbereitschaft gegenüber Vorgesetzten oder Kollegen verharren. Arbeit darf Freude machen. Gut, mancher braucht in erster Linie Stabilität und will seine gewohnte Tätigkeit einfach nur ordentlich erledigen. Ein anderer jedoch wird plötzlich findig und zupackend, wenn man ihn machen lässt und er/sie nicht beim ersten Sprung über informelle Grenzzäune in der „Lehmschicht“ hängen bleibt. Die Krux mit der vermeintlichen Lehmschicht im Management ist ja das Lähmende. Das steckt meist irgendwie drin – in der Kommunikation, im Umgang miteinander, mangelnder Wertschätzung, aber auch in einer gewachsenen Kompliziertheit interner Prozesse, die kein Einzelner mehr voll durchblickt. Leicht dingfest zu machen ist das alles nicht. Häufig hilft ein unkonventioneller Impuls des aufmerksamen Chefs, um solche Blockaden oder entmutigendes Verhalten seitens der unmittelbaren Vorgesetzten zu entschärfen. Verbunden mit einem „Geht-doch“ Erlebnis bei den ausgebremsten Akteuren, hilft das den Knoten ein erstes Stück zu lösen. Wenn es danach weiter geht …!
Komplex oder nur kompliziert?
Dass alles furchtbar komplex ist wissen wir. Aber geht’s nicht auch einfacher? Plötzlich kann der Mitarbeiter an der Front die Situation selber richtig einschätzen. Der eilige Auftrag ist tatsächlich dringend und bleibt nach der Teilefertigung nicht doch noch vor der Montage hängen. Die wenigen Engpässe werden gezielt gesteuert. Die viel beschworene Transparenz ist kein Zahlenfriedhof mehr, sondern wird als Beherrschung des Geschehens erlebt. Wunsch oder Chance? Vielleicht ist die Reduktion auf’s Essenzielle der Schlüssel zu gelungener Veränderung und zur Auflösung von Lehm- und Lähm-Schichten.
Alltagsbegleitendes Change Management
Einer muss den nächsten Schritt tun und blinde Flecken der Organisation ausgraben. Nun kann’s los gehen. Das erste Gegenargument: „keine Zeit“. Ausrede oder schon Teil des Problems? Viel Erfolg beim Anstoßen der nächsten Veränderung!