Raus aus der Krise und ohne Umwege zum Kunden.

Das klingt wie ein Mutmacherspruch. Jetzt, wo Konjunkturumfragen zaghafte Hoffnung auf Besserung machen, ist Zuversicht gefragt. Wer neben der mühsamen Verwaltung von Kurzarbeit und dem schieren Durchhalten die Zeit findet, intern aufzuräumen und strategische Weichen zu stellen, überholt seine Wettbewerber. Mit Supply Chain Management als Baustein im Geschäftsmodell werden neue Märkte schneller erobert und bestehende erfolgreich entwickelt.

Ohne Umwege zum Kunde


Eines meiner Lieblingsbeispiele ist die Modekette ZARA. Hier läuft vieles komplett gegen die herrschende Branchenlogik: hoher Eigenfertigungsanteil, Produktion in Europa, „teure“ Logistik, schnelle Wege zum Käufer. Und am Ende erfolgreicher als H&M & Co. Trotzt Wetterabhängigkeit und launischer Moden sind die Bestände gering, Ladenhüter entstehen erst gar nicht, Rabattschlachten werden vermieden. Der Kern davon ist, dass die Kunden genau das bekommen, was sie aktuell wollen. Natürlich geht es nicht nur um schnelle Produktion und Logistik, sondern auch um gekonntes Marketing. Aber ohne diese Supply Chain Fähigkeiten funktioniert das ganze Geschäftsmodell nicht.

Bei uns läuft das anders! Für Autobauer, Zulieferer, Elektrotechnik, Maschinenbau und andere Herstellerbranchen gelten andere Gesetze. Wirklich?

Thesen – auch gegen den Trend

Ein gutes Gedankenexperiment ist es, die in ihrem Unternehmen momentan herrschenden Grundüberzeugungen in Bezug auf Zielkunden, Auftragsbearbeitung, Produktion und Logistik mal aufzuschreiben und gedanklich umzukehren. Was wäre, wenn wir auf clevere Art das genaue Gegenteil täten? Als kleine Anregung drei Thesen:

(1) Build-to-order ist (fast) immer sinnvoll.
Wenn kurze und verlässliche Lieferzeiten wettbewerbskritisch sind, bleiben zwei Möglichkeiten: immer ausreichende Warenbestände oder eine reaktionsfähige, schnelle Produktion und Lieferkette. (Eine dritte Variante wäre, den Kundenbedarf immer auf die gerade verfügbaren Produkte zu lenken.) Je höher das „Alterungsrisiko“ der Bestände ist, desto lohnender sind bestandsarme Prozesse. Build-to-order ist relativ. Die einfachste Stufe ist die Endkonfiguration von Produkten. Komplexer wird es, wenn erst der Kundenauftrag die Montage anstößt. Wo im Prozess der Kundenauftrag starten soll, bleibt eine Frage des Geschäftsmodells und der eigenen Fähigkeiten.

(2) Kurze Lieferketten sind profitabler als sehr komplexe.
Build-to-order bedingt in vielen Fällen die geografische Nähe zu den Abnehmermärkten; die letzte Meile ist dann kurz. Kurze Lieferketten laufen nur über wenige Stufen (Vorlieferanten bis Endabnehmer) oder über zeitlich geringe Distanzen. Dazu zählt natürlich auch eine „synchrone“ Produktion mit der Fähigkeit zu Losgröße 1. Beide Effekte führen zu deutlich geringeren, systemimmanenten Beständen in der Kette. Kapitalbindung, Transport, Handlingsaufwand sowie Abschreibungen auf Bestände sinken. Preisvorteile im Einkauf, die das tatsächlich überkompensieren, müssen sehr deutlich ausfallen.

(3) Bestandspuffer nur an „Systemgrenzen“
Wer unsicher ist, legt Vorräte an. Bei stabilen Prozessen werden sie allerdings nur dort wirklich gebraucht, wo sich der Zeittakt ändert oder externe Risiken kompensiert werden müssen, also z.B. zwischen Zulieferern mit wöchentlichem Lieferrhythmus und der eigenen Produktion, die Aufträge im Stundentakt terminiert. Die Dimensionierung dieser Bestände ist eine Mischung aus gekonntem Handwerk und der Fähigkeit, Entwicklungen voraus zu denken, die auf Basis anderer Informationen in Entwicklung, Marketing oder Vertrieb absehbar sind.

Fazit

Sich „aus der Krise rausinvestieren“ (Craig Barrett, Intel) ist in jedem Fall eine gute Strategie. Es muss ja nicht immer mit viel Geld sein, Hirnschmalz ist auch eine sehr lohnende Alternative. Diese Ressource aktivieren Sie aber nur, indem Sie die Leute mitnehmen – mit Sinn („Lohnt das Engagement langfristig?“) und mit Offenheit („Wo stehen wir im Wettbewerb heute und morgen?“). Wenn Sie’s erfolgreich geschafft haben, macht Ihnen das keiner so leicht nach. Siehe ZARA, auch dort gibt’s wenig Nachahmer. Es ist halt nicht so einfach.

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2 comments

  1. Ja, und was hindert die vielen Unternehmen diese ach so einfachen und richtigen Dinge zu tun? Sind die alle dumm? Natürlich nicht.
    Nach dem Experten (er weiß was richtig und falsch ist!) braucht es ein Verständnis warum sich das Richtige durchsetzt. Da liegen viel eher die Hürden.

  2. Wirklich einfach ist es halt nicht. Mit dem bisher Bewährten geht immer ein Stück Betriebsblindheit einher. Radikalere Überlegungen rütteln zudem an bestehenden Kompetenz- und Machtstrukturen in der Organisation. Und zum Dritten birgt Neues auch das Risiko des Scheiterns. Statt des „Experten“ von außen der es besser weiß, braucht es also eher den erfahrenen „Tour Guide“, der sich mit auf den Weg macht.

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