Wir lernen das!

Oder, was lean und Supply Chain Management mit Schwimmen zu tun haben.

Wir lernen das. Beispielsweise schwimmen. Oder miteinander sprechen, wenn Konflikte entstehen. Genauer hinsehen, wenn es etwas schlecht oder gar nicht läuft. Nochmal anfangen, wenn der erste Anlauf gescheitert ist.

Im Moment sind wir äußerst verunsichert, wie wir den Zustrom an Flüchtlingen in Deutschland bewältigen können. Befürchtungen überwiegen die Hoffnungen. Wir Menschen sind aber keine guten Prognostiker. Statt über die Zukunft zu spekulieren, sollten wir lieber etwas tun und dabei lernen wie es geht, die Dinge zu gestalten. Das „Gute“ an der Flüchtlingssituation ist, dass wir nicht einfach abwarten können, wir müssen handeln oder ersatzweise an andere appellieren, tätig zu werden. Ähnlich geht es im Unternehmen. Wenn es eine Krise gibt, ist Aktion gefordert. Aber nicht irgendwie, sondern mit Ziel und vor allem als Lernprozess. Und wenn es keine Krise gibt, ist es vielleicht an der Zeit, dieses Unbehagen selber zu schaffen, um nicht in Bequemlichkeit zu erstarren.

Krisen mit Lernprogramm begegnen.

Schwimmen lernen, das zeigt die Publizistin Carolin Emcke in ihrem wunderbaren Artikel „Kopf über Wasser“ in der „Süddeutsche Zeitung“ vom 2./3./4. Oktober 2015, ist ein anschauliches Modell für das Lernen überhaupt. Schon für Platon zählte Schwimmen zu den elementaren Fähigkeiten. „Denn schwimmen lernen heißt, sich in einer ständig verändernden Umgebung zurechtzufinden“.

Auf Krisen oder Probleme mit einem „Lernprogramm“ zu reagieren, ist sinnvoller als das übliche „action please“, mit dem mancher Manager versucht, das Feuer möglichst schnell auszutreten – was dann meist doch nicht klappt.

Was braucht es für solch ein Lernprogramm?

  • Eintauchen

    Das klingt jetzt sehr nach Wasser und Schwimmen. Aber egal worum es geht, man muss in die Materie eintauchen. Beim Lean Management heißt das schauen, was vor Ort passiert, „sehen lernen“, die notwendigen Fakten zusammentragen und allmählich verstehen, was tatsächlich abläuft.

  • Vormachen und Unterstützen

    Mancher weiß, wie es geht, andere nicht. Mit gutem Beispiel vorangehen, ohne die Dinge selber zu machen. Experimentieren zulassen. Erreichbare „Zielzustände“ vorgeben und manchmal ein bisschen nachhelfen, sie zu erreichen. Wie beim Schwimmen lernen eines Kindes, wenn es zwei Meter alleine bis zum Beckenrand schaffen soll, die helfende Hand immer in den Nähe wissend.

  • Loslassen und Vertrauen

    Selbst wenn’s der Chef besser zu wissen glaubt, ohne Loslassen kein Lernerfolg! Vertrauen entwickeln in die Fähigkeiten der Mitarbeiter und Fehler als Anstoß zum nächsten Lernschritt annehmen, nicht zur Suche nach Schuldigen.

  • Üben (lernen)

    Zu Beginn sind die Fortschritte am größten. Da ist mancher schnell zufrieden, der Status Quo wird zum Erfolg erklärt und verspricht so Ruhe vor weiterer Veränderung. Das Wichtigste am Lernen ist dranbleiben und üben. Es ist eben noch „kein Meister vom Himmel gefallen“. Eine Form, das Üben in einer Organisation zu verankern, ist das, was man bei Toyota „Coaching-Kata“* nennen könnte. Immer wieder überschaubare Herausforderungen stellen, Erfahrungen machen und dabei PDCA (Plan, Do, Check, Act) nicht vergessen. Lernen ist eben kein Projekt mit definiertem Ende, sondern ein stetiger Prozess.

  • Gemeinsam tun und lernen

    Lernen im Team ist erfolgversprechender. Wer sagt denn, dass es der Chef besser weiß. In manchen Situationen, vor allem wenn es um Arbeitsprozesse vor Ort geht, ist eher der Führungsverantwortliche der Lernende – gleichzeitig aber auch derjenige, der den nächsten Schritt („Zielzustand“) vorgibt. Gemeinsam sind wir stark ist nicht die schlechteste Losung, um die unterschiedlichen Talente zur Geltung zu bringen.

Lernen muss Freude machen.

Ganz ohne Voraussetzungen wird so ein Lernprogramm aber kaum klappen. Es beginnt mit der Haltung des Top Managements, sie prägt die Kultur in der Organisation und sie setzt den Maßstab für Entwicklung und Leistung. Thomas Tuchel, der Fußballtrainer von Borussia Dortmund, hat das Leistungsideal des FC Barcelona kürzlich so beschrieben: „Sie haben nur für sich selbst gespielt. Für das höchste Prinzip: Leistung zu bringen und Freude zu haben.“ („Lernen von den Bayern“, FAZ vom 7. Oktober 2015). Freude nimmt in manchen Unternehmenskulturen ja nicht gerade einen der vorderen Plätze ein. Aber braucht Engagement und Leistung nicht genau das, sich mit anderen über das Erreichte freuen? Erst dann kommt:„I stayed on top for 20 years because I knew that even if you win, there are things to learn.“ Garry Kasparow (Schachweltmeister) in Harvard Business Review, April 2015.

Lernen braucht Widerstand

Und zum Schluss nochmal für all die, denen es heute gut geht: Lernen lebt davon Widerstände zu überwinden. Erfahrbare Schwierigkeiten in Prozessen und Organisation, aber auch Unzulänglichkeiten, mit denen sich der einzelne Mensch in sich selbst konfrontiert sieht. Aufgabe von Führung ist es daher, Schwächen und antizipierte Probleme in einem Unternehmen spürbare zu machen, damit Lernen und Leistungssteigerung stattfinden kann – und das auch in guten Zeiten.

Beim Lernen hilft ein Lehrer (darf auch mal ein Berater sein) getreu dem Motto und frei nach Tiger Woods (Golfer): „Profis haben einen Trainer, Amateure brauchen keinen.“

* Mike Rother, „Die Kata des Weltmarkführers – Toyotas Erfolgsmethoden“, Campus Verlag, 2009

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1 comment

  1. Lieber Reinald, ich finde, Du hast das Phänomen und die Problematik betrieblicher Lernprozesse sehr passend skizziert. Ich würde nur noch ergänzen, dass auch Erklären & Verstehen wichtige Elemente sind :-).

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