Wachsen oder verkümmern? SCM Konzepte brauchen Pflege.

Es ist Frühling, die passende Zeit mal über Wachsen und Gedeihen in Führungsprozessen von Supply Chains nachzudenken. Auch SCM Konzepte brauchen Pflege.

Nicht nur Gärtner brauchen Werkzeuge zur Pflege, SCM Führung ebenfalls
Nicht nur Gärtner brauchen Werkzeuge zur Pflege, SCM Führung ebenfalls

Manchmal ist es schon verwunderlich wie auch tolle Ansätze mit der Zeit weit hinter ihren Möglichkeiten bleiben. Dabei hatte das Projekt ja nicht nur gut begonnen, sondern wurde auch erfolgreich abgeschlossen. Mit neuen Ideen, Mut und einiger Anstrengung wurden Durchlaufzeiten stabiler und kürzer, Termine pünktlicher und Kosten geringer – und das anhaltend. Wirklich anhaltend? Alles eine Frage des Anspruchs und des Zeithorizonts.

Wenn ich als Berater beteiligt war, komme ich da doch ins Grübeln. Natürlich gibt es immer äußere Gründe, Wechsel im Management, berufliche Veränderung eines „Überzeugungstäters“, andere Prioritäten durch die Geschäftsführung oder ein neues, großes Vorhaben, dem sich jetzt alles unterordnet, die Einführung von SAP oder eine durchgreifende Umstrukturierung beispielsweise. Zufriedenstellend sind diese Erklärungen nicht. Es bleibt die Frage, woran es eigentlich krankt und warum die „Resilienz“ auf der Strecke bleibt. Die Suche nach Antworten führt zu vier Ansatzpunkten:

Auftragssteuerung & Lean: Integrieren statt abgrenzen

Das Hinter-den-Möglichkeiten-bleiben, z.B. beim Einsatz einer Conwip-Steuerung, wird im Unternehmen häufig verschärft durch eine seltsame Trennung von Lean-Aktivitäten einerseits und Produktionsplanung/-Steuerung andererseits. Lean ist häufig konzeptionell institutionalisiert, während Supply Chain Themen eher fallweise und operativ angepackt werden. Lean wird mit Arbeitsplatz-, Prozessgestaltung, Methoden, Schulungsbedarf assoziiert; SCM- und Steuerungsthemen dagegen mit IT, Bestandsmanagement, Effizienz- und Lieferkennzahlen. Für Lean gibt es ein spezialisiertes Team, das mit Planern oder Disponenten nichts zu tun hat; Steuerungsthemen laufen einfach im Tagesgeschäft mit und erscheinen als im IT-System determiniert. Diese sinnfreie Zweigleisigkeit entspringt einer funktionalen Sicht der Organisation und sie macht Probleme, wenn die Wirklichkeit im Shop-floor weiter ist, als im ERP-System hinterlegt, Beispiel Liegezeiten. Lean-Experten wiederum sind, wenn es um Auftragssteuerung geht, manchmal ziemlich unbeleckt. Ihr Weltbild ist produktionszentriert und in der Praxis methodenlastig. Dabei wäre Toyota ja ein gutes Vorbild für ein selbst entwickeltes, unternehmensangepasstes Lean-Management Konzept. Nur sollten da alle gemeinsam mitmachen. Die Rolle der Experten wäre dann wieder offen.

Wurzeln schlagen: Grundlagen verinnerlichen

Jedes Projekt initiiert eine Veränderung. Alte Prozesse und Handlungsmuster werden hinterfragt; neue SCM Lösungen entstehen. Wurzeln schlagen sie erst dann, wenn sie nicht nur erfolgreich eingeführt sind, sondern die Macher gründlich verstehen, warum sie tun, was sie tun. Das ist ein Lernprozess, der Zeit braucht, aber auch Tiefgang in der Auseinandersetzung mit dem Neuen (und Alten). Ohne theoretische SCM Grundlagen* und praxiserprobte Simple Rules geht es nicht. Hier mangelt es vielfach. Für’s Tagesgeschäft genügen ja erstmal wenige Routinen, auf Dauer aber geht das schief.

Stillstand ist Rückschritt: Anstoß geben

Wenn die Projektphase vorbei ist, gilt es sich aufkeimender Trägheit zu widersetzten, die sich mit dem Erfolg gerne einstellt. Nachdenken über die Absicherung des Erreichten und weitere Verbesserungen ist mühsam oder, um den Hirnforscher Prof. Gerhard Hüther zu zitieren: Alle lebendigen Systeme, auch das Gehirn, organisieren sich so, dass möglichst wenig Energie verbraucht wird. Da das Denken aber generell Energie verbraucht, bedarf es eines Anstoßes, dass diese Energie überhaupt zur Verfügung gestellt wird. (aus: Gerald Hüther, Führungsethik – http://www.gerald-huether.de). Dieser Anstoß kann aus einem selber kommen, wenn es einfach Freude macht oder aus der Führungsriege, die ermuntert, die Richtung vorgibt und vorlebt.

Mut zum Fortschritt: mit Freude arbeiten

Menschen sind unterschiedlich. Mancher agiert vorsichtig und will nichts falsch machen, ein anderer ist forsch, selbstmotiviert und wagt sich auf Neuland. Individuen ticken verschieden, ganze Organisationen tun es auch. Wenn von Unternehmenskultur die Rede ist, kommen Emotionen nur am Rande vor, sie prägen jedoch das Geschehen. Stichwort Emotional Culture. Niemand wird leugnen, dass positive Gefühle der Beschäftigten für gute Arbeitsergebnisse ausgesprochen förderlich sind. Unstrittig dürfte auch sein, dass diese Gefühle nicht primär von der Tagesform des Mitarbeiters abhängen. Sie entstehen auch nicht durch Wohlfühl-Events, sondern eher durch kleine, meist nonverbale Zeichen im Führungsverhalten und dadurch, dass Emotionen wie Freude, Liebe, Ärger, Furcht, Traurigkeit, überhaupt Platz im Firmenalltag eingeräumt wird. Man muss vielleicht nicht so weit gehen, wie manche von Sigal Barsade und Olivia O’Neill in ihrem Aufsatz „Manage Your Emotional Culture“ (Harvard Business Review, January-February 2016) beschriebenen amerikanischen Unternehmen, aber bewusst hinschauen und das eigene Führungsverhalten reflektieren, tut schon Not. Wie überall kommt es auf die Balance an. Konflikte müssen ausgetragen werden und dürfen nicht unter dem Wohlfühlteppich landen. Umgekehrt sollte die Angst Fehler zu machen oder einzugestehen ebenfalls entbehrlich werden. Mit Freude selbst und rechtzeitig gestalteter Wandel wirkt am Ende einfach weniger bedrohlich als von oben verordnete Veränderung – mit höherer Erfolgsaussicht.

Es ist wie auf der Gardening-Grafik oben, je nach Situation wird anderes Handwerkszeug benötigt, damit Wachsen gelingt. Man muss es halt angehen, sonst gewinnt das Unkraut.

* Little’s Law, Stocks & Flows, Engpass-Theorie, Prozess-Stabilität, Push-Pull, Bullwhip-Effekte, …

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